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 »Zahlreiche Forellenzüchter setzen auf besseres Marke­ ting, stärkere Verankerung in den Regionen.
Haltungsbedingungen relativ einfach zu definieren und messbar sind, ist das bei anderen Merkmalen wesentlich schwieriger. Es gibt noch keine anerkann- te wissenschaftliche Messmethode, um Lebensqua- lität, normales Verhalten, Angst, Stress und Schmerz bei Fischen objektiv zu quantifizieren. Das macht es Kritikern der Aquakultur, deren Wahrnehmung von tierischem Leid primär auf persönlichem Empfinden und auf der Vermutung beruht, dass Fische „Emotio- nen“ ausleben können, die sich empirisch erkennen lassen, ziemlich leicht, immer neue Anschuldigun- gen vorzubringen. Meinungsführer in der öffent- lichen Debatte sind häufig Laien ohne fachlichen Hintergrund, was die Auseinandersetzung mit ihnen sehr schwierig und zermürbend macht. Aufgrund des zunehmenden Kostendrucks, der behördlichen Gän- gelei, permanenter Fischverluste durch Prädatoren und ausufernder Umweltauflagen haben manche Fo- rellenzüchter ihr Gewerbe bereits ganz aufgegeben.
n Unfairer Wettbewerb durch ausländische Billigan- bieter (Dumpingproblematik)
n Wachsende administrative und rechtliche Aufla- gen für bestehende Forellenbetriebe (Überregu- lierung der Aquakultur in der EU und einzelnen Mitgliedsländern)
n Hohe Kosten für die Anpassung der Betriebe an die Umweltanforderungen
In einigen Ländern wirkt noch die Banken- und Fi- nanzkrise als Teil der Weltwirtschaftskrise ab 2007 nach. Problematisch für einzelne Forellen-Export- länder ist zudem der Einfuhrstopp für europäische Lebensmittel, den die Russische Föderation in Erwi- derung des EU-Embargos wegen der Besetzung der Halbinsel Krim verhängt hat.
Forellenerzeuger in Deutschland und Europa haben nur begrenzte Handlungsoptionen, um auf aktuel- le Marktentwicklungen angemessen zu reagieren. Möglichkeiten zur Steigerung der Produktionseffizi- enz durch stärkere Nutzung moderner Forschungs- ergebnisse, höhere Bestandsdichten (z.B. Belüftung mit Reinsauerstoff), noch leistungsfähigere Zucht- stämme der Forellen oder optimiertes Futter sind weitgehend ausgereizt. Zahlreiche Forellenzüchter setzen deshalb auf ein besseres Marketing, eine stär- kere Verankerung ihrer Betriebe in den Regionen. Diese Strategie ist besonders vielversprechend, weil immer mehr Konsumenten aus moralischen, ethi- schen und Klimaschutzgründen verstärkt naturna- he, nachhaltige und regional erzeugte Produkte ein- kaufen. Das treibt den Hofläden der Direktvermark- ter eine neue, zahlungskräftige, urbaner verwurzelte Kundengruppe („LOHAS“ – Lifestyle of health and sustainability) zu.
Marktchancen noch konsequenter nutzen
Ausweitungen der Produktion zur marktgerechteren Aufstellung der Forellenbetriebe, um die Chancen im Wettbewerb zu verbessern, sind unter den der- zeitigen Rahmenbedingungen nur selten möglich. Manche Züchter haben ihre Produktion teilweise von Regenbogenforellen auf Saiblinge umgestellt, die aktuell stärker nachgefragt werden und sich ein- facher vermarkten lassen. Eine weitere Möglichkeit, um bessere Einnahmen zu erzielen, ist die Vergrö- ßerung des Produktsortiments. Das bedeutet nicht nur mehr Fischarten, sondern auch eine höhere Veredlung der Forellen, obwohl das – vor allem bei kleinen Betrieben – häufig an kapazitive, personelle und technische Grenzen stößt. Gelegentlich ergeben sich aber auch zusätzliche Chancen aus aktuellen
REGENBOGENFORELLE
  Portionsforellen sind zwar weiterhin das solide Fundament der Forellenkultur, doch daneben hat die Aufzucht von Lachsforellen stark an Bedeutung gewonnen.
Mit diesen Problemen sind aber nicht nur deutsche Forellenzüchter konfrontiert, denn auch in anderen EU-Ländern – darunter bedeutende Erzeugerstaa- ten wie Spanien, Dänemark, Frankreich und Italien – geht die Forellenproduktion mehr oder weniger stark zurück. Die Ursachen dieser Entwicklung lassen sich in folgenden Kernpunkten zusammenfassen:
n Weitgehend konstante Verkaufspreise für Forellen trotz steigender Produktionskosten, vor allem für Futter, Energie und notwendige Modernisierungen
n Zu schwaches Nachfragewachstum auf wichtigen Absatzmärkten
n Zunehmende Konkurrenz mit anderen Zuchtfi- schen, vor allem Lachs, Saibling sowie den Mittel- meerarten Wolfsbarsch und Dorade
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