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  Die Arbeitgeber in Industrie und Handel werden zu- nächst versuchen, ihre eingearbeiteten Kräfte und insbesondere die Fachkräfte im Betrieb zu halten, um die Betriebsbereitschaft auf hohem Niveau zu halten, wenn eine schnelle Beendigung der Corona bedingten Einschränkungen erwartet wird. Dann kann sofort wieder durchgestartet werden, sobald der Shutdown zu Ende geht. Um aufwendige und kostspielige Stel- lenbesetzungen in der nahen Zukunft zu vermeiden, ist es für viele Unternehmen sinnvoll, Arbeitneh- mer selbst bei rückläufigen Auftragseingängen zu beschäftigen
Ansturm auf Kurzarbeitergeld
Als besonders hilfreich dabei hat sich die Kurzarbeit herausgestellt, weil sie mit dem vom Staat gezahlten Kurzarbeitergeld verknüpft werden kann. Dies war auch der Erfolgsgarant für die schnelle Erholung der Wirtschaft in der Finanzkrise. Die Bundesregierung hat deshalb hier eine großzügige Regelung getroffen. Bereits bis zum 27. März haben laut Bundesarbeits- agentur 470.000 Unternehmen Kurzarbeit beantragt. Das umfasst große Unternehmen und viele kleine und mittlere Betriebe. Wie hoch die Anzahl der Be- schäftigten sein wird, die tatsächlich in Kurzarbeit beschäftigt werden, ist derzeit noch unklar. Es mag in einem Fall nur eine einzige Person sein, in ande- ren Fällen Hunderte oder sogar Tausende. Zum Ver- gleich: Auf dem Höhepunkt der durch die Finanzkri- se ausgelösten Kurzarbeit im Juli 2009 hatten 61.427 Unternehmen Kurzarbeit angemeldet und die Zahl der Kurzarbeiter betrug im Maximum knapp 1,5 Mil- lionen Personen. Das wird auf alle Fälle erheblich überschritten werden. Die Bundesregierung rechnet seit Ende März mit etwa zwei Millionen Kurzarbei- tern in 2020, Arbeitsmarktexperten halten das ange- sichts der hohen Zahl der anmeldenden Betriebe für vermutlich zu niedrig.
Wirtschaftsweise unterschätzen Kurzarbeit
Die sich abzeichnende Höhe der Kurzarbeit ist von den Analysten teilweise stark unterschätzt worden. Der Sachverständigenrat geht für 2020 in seinem Co- rona-Sondergutachten im Basisszenario von zusätzlich 262.000 Kurzarbeitern aus, die in 2021 vollständig wie- der abgebaut werden können. Das ist eine sehr deutli- che Unterschätzung.
Das IFO-Institut errechnet über seine Szenarien eine Bandbreite möglicher Kurzarbeit von 2,1 Millionen bis 6,6 Millionen Kurzarbeitern in 2020. 2,1 Milli- onen würden es im mildesten Szenario mit einem
„Insbeson-
dere die
Beschäfti-
gung in der Industrie wird unter der Krise leiden.“
IFO-Institut
Monat Shutdown, kurzer Normalisierungszeit von einem Monat und niedrigen Produktivitätsverlusten. Der schlechteste Fall tritt ein, wenn die Vorsichts- maßnahmen drei Monate nicht gelockert werden, die Produktivitätsverluste hoch sind und die Normalisie- rungszeit nach Ende der Vorsichtsmaßnahmen zwei Monate betragen.
24 Monate Kurzarbeit
Als eine Erleichterungsmaßnahme hat die Bundesre- gierung es ermöglicht, dass Kurzarbeit auf 24 Monate statt bisher 12 Monate ausgedehnt werden kann. So- weit sie das Kurzarbeitergeld übernimmt, ist das eine erhebliche Erleichterung für die Unternehmen, weil ihnen faktisch große Teile des Beschäftigungsrisikos für zwei Jahre abgenommen werden. Das könnte dazu führen, dass der Schock, den der Arbeitsmarkt in der zweiten Märzhälfte erfahren hat, sehr stark durch das Kurzarbeitergeld aufgefangen werden kann.
TEXTIL | LEASING
Beschäftigungsabbau unvermeidlich
Gleichwohl rechnen alle Analysten der Arbeitsmärkte auch mit einem Beschäftigungsabbau. Der Sachver- ständigenrat geht in seinem Basisszenario davon aus, dass 128.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Personen und 104.000 Minijobber ihre Arbeitsplätze 2020 verlieren.
Das IFO ist hier wiederum deutlich skeptischer und sieht über seine Szenarien eine Bandbreite von bes- tenfalls 160.000 sozialversicherungspflichtigen Per- sonen und schlechtestenfalls 1,8 Millionen Personen, die entlassen werden müssen. Bei den Minijobbern werden im günstigsten Fall 180.000 und im schlech- testen Fall 780.000 Personen in die Arbeitslosigkeit geschickt.
Industrie besonders betroffen
Aufgrund der schon seit 2018 und 2019 aufziehenden Schwäche der Industrie, muss davon ausgegangen werden, dass insbesondere die Beschäftigung in der Industrie leiden wird. Nimmt man die geplanten Kurz- arbeitsmeldungen als Grundlage, so stehen die Schlüs- selindustrien Automobil, Maschinenbau und Elektro im Mittelpunkt, aber auch kleinere Industrien wie die Metallverarbeitung und -erzeugung und die Textilin- dustrie sind betroffen.
Für den Handel hingegen sind die Risiken nur schwer abzuschätzen. Der Non-Food-Handel macht während des Shutdowns kaum Geschäfte und ist ähnlich
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