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Interview des Monats
sehen, dass wir beispielsweise zwei Fab- riken in Deutschland haben, in denen ge- näht wird, in Polen vier Fabriken und in Litauen, Frankreich und China noch wei- tere. Das ist unter Kostengesichtspunkten vielleicht nicht die optimale Lösung, aber immer in der Absicht geschehen, dass wir in einem Fall wie diesem flexibel reagie- ren können. Wir haben, abgesehen von kleinen Einschränkungen im Markenbe- reich, bis heute jeden Auftrag geliefert.
Haustex: Sehen das Ihre Abnehmer auch so gelassen ?
Bußkamp: Die Preisdiskussionen gehen trotzdem weiter. Das ist das Unfassba-
re an dieser Situation. Den Handel, glo- bal gesehen und mit Ausnahmen, inte- ressiert das alles nicht. Es gibt da leider keine Toleranz, kein Verständnis, keine Unterstützung, keine Solidarität. Es geht weiterhin leider oft nur um den Preis.
Haustex: Wie hat sich der Handel ange- sichts geschlossener Geschäfte Ihnen ge- genüber verhalten ?
Bußkamp: Wir haben die Situation, dass wir für etliche Millionen Euro Ware am Lager haben, die bestellt und zur Auslie- ferung bereit war, aber nicht abgenom- men wurde.
Rainer Brockmöller: Wir hatten aber auch die Situation, dass Möbler nach dem Shutdown ihre Zentrallager noch eine gewisse Zeit geöffnet hatten, so dass wir immer noch anliefern konnten und es nicht sofort von hundert auf null ging. Aber irgendwann waren wir dann an dem Punkt. Es zieht jetzt langsam in Nordrhein-Westfalen wieder an, und ich denke, dass wir das auch in Kürze in den anderen Bundesländern erleben wer- den. Der Handel wird insgesamt lang- sam wieder anlaufen, aber sicher nicht gleich auf das Niveau, das wir vorher hatten. Aber die ganze Kette kommt si- cher in Kürze wieder in Gang. (Anmer- kung der Redaktion: Zum Zeitpunkt des Interviews durften Möbelhäuser über 800 qm Verkaufsfläche nur in NRW öff- nen).
Haustex: Wie hat der Möbelhandel und speziell die Großfläche aus Ihrer Sicht die Schließungen verkraftet ?
Bußkamp: Ikea beispielsweise ist nicht komplett auf null runtergefahren. Im Gegensatz zu den traditionellen Groß- flächen, die irgendwann auch ihre Lager geschlossen haben, weil bestimmte Her- steller dazu übergegangen sind, die Som- merferien vorzuziehen, speziell in Po- len. Das Ziel war, jetzt für zwei oder drei Wochen zu schließen, um im Sommer durchproduzieren zu können, je nach- dem, wie sich die Lage im Sommer entwi- ckelt. Das haben wir mit unserer Möbel- produktion auch gemacht.
Brockmöller: Wir haben schon gemerkt, dass sich einige Unternehmen stark aufs Onlinegeschäft fokussiert haben. Ikea ist ein gutes Beispiel dafür. Dort hat man das Onlinegeschäft massiv gesteigert und über Maßnahmen wie Click & Collect die Standorte ein wenig am Leben erhalten. Die Kunden konnten online bestellen und in den Möbelhäusern die Ware ab- holen, die von den Mitarbeitern dort be- reitgestellt wurde. Auch andere haben ihr Onlinegeschäft massiv forciert.
Haustex: Das funktioniert doch aber nur, wenn man hier auch vorher schon gut auf- gestellt war, oder ?
Bußkamp: Die Erkenntnis ist sicherlich in vielen Chefetagen angekommen, dass das nicht von heute auf morgen passiert. Es denken immer noch einige, dass es ausreicht, eine Internetseite mit einem Shop zu haben. Die wirklich erfolgrei- chen Online-Player haben durch die ak- tuelle Situation massiv gewonnen.
Haustex: Gilt das auch für die Online- Anbieter am Matratzenmarkt? Gehören auch sie zu den Gewinnern der Krise ?
Bußkamp: Mit oder ohne Corona bin ich der Meinung, dass der Abverkauf und das Potenzial insbesondere der Online- Anbieter endlich ist, die sich hierzulan- de um den besten Test ever streiten. Fakt ist aber, dass andere Marktteilnehmer im Online-Bereich, unter denen wir einige wirklich große Kunden haben, massiv gewonnen haben. Hier reden wir aber über andere Produktgruppen als Matrat- zen, also über Decken, Kissen oder Gar- tenstuhlauflagen. Wer sich im Wesent- lichen auf ein Produkt konzentriert und nichtbreiteraufgestelltist,verkauftmei- ner Meinung nach in dieser Lage auch nicht mehr.
Haustex: Wie wird sich die aktuelle Situ- ation auf die unterschiedlichen Vertriebs- formen auswirken ?
Bußkamp: Ich glaube, dass der Lebens- mitteldiscount mit seinen Non-Food- Sortimenten weiterhin zulegen wird. Die Mengen sind bereits in den vergan-
Rainer Brockmöller
Rainer Brockmöller begann seinen beruflichen Wer- degang mit einer Ausbildung beim Bekleidungsunter- nehmen C&A und durchlief das Management-Trainee- Programm. Zusätzlich absolvierte er erfolgreich ein Studium an der St. Gallen Business School, das er
als Diplom-Betriebswirt abschloss. 2001 wechselte er ins Bettwaren-Segment als Geschäftsführer bei der niederländischen Beter Bed Holding. 2006 kam er zur Fachmarktkette Matratzen Concord und wurde 2014 zum Geschäftsführer von Matratzen Concord DACH berufen. Seit November 2017 bekleidet Brockmöller bei der EuroComfort Group die Position des Chief Com- mercial Officers (CCO).
22 Haustex 5 / 2020
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