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                      Spezial
 sondern biologisch abbaubare Produkte nach ihrem Le- benszyklus zu Nährstoffen umgewandelt werden, gilt aktuell als die Königsdisziplin in der Nachhaltigkeits-Debatte.
Konzepte auch für Transport und Arbeitsbedingungen notwendig
Allerdings geht es bei allen strategischen Überlegungen längst nicht mehr „nur“ um die Produkte, sondern auch um weitreichende Konzepte in allen Stufen der Wert- schöpfungskette. Dazu zählen die Beschaffung von Rohstoffen und Verpackungsmaterialien und der Trans- port ebenso wie Überlegungen zu sozialverträglichen Arbeitsbedingungen, zu einer ausgewogenen Energie- Bilanz und zu innovativen Abfall-Konzepten.
All das zeigt die Komplexität des Themas und macht deutlich, dass Nachhaltigkeit bzw. die Umstellung auf nachhaltige Produkte und Produktionen nur als Prozess verstanden werden kann, dessen Umsetzung schritt- weise, aber zügig erfolgen muss.
Wir stellen Ihnen in dieser Ausgabe ab Seite 108 die aktuellen Kollektionen der Gardinen-, Deko- und Möbel- stoff-Anbieter und ihre Nachhaltigkeits-Strategien vor.
Nachhaltigkeit am POS
Wie sieht es in Sachen Nachhaltigkeit im Handel aus ? Welche Konzepte gibt es am POS und wie werden sie in der Praxis umgesetzt? Wir haben uns bei einigen Raumausstatter-Betrieben umgehört und mit den Ei- gentümern über ihre Erfahrungen gesprochen.
Nachhaltigkeit liegt gewissermaßen in der DNA der textilen Raumgestaltung, denn die Besinnung auf traditionelles Handwerk, auf die Idee, etwa Polstermö- bel instand setzen zu lassen, statt sie zu entsorgen, ge- hört seit jeher zum Kerngeschäft des Raumausstatters.
Und auch in der Entwicklung neuer Konzepte für das Alltags-Geschäft zeigen die von uns befragten Betriebe viel Kreativität. Wer die räumlichen Möglichkeiten hat, setzt auf Photovoltaik zur Energieversorgung und die Umstellung des Fuhrparks auf Elektrofahrzeuge steht ebenfalls bei vielen Betrieben auf der Agenda, bis hin zur Variante des E-Lastenbikes mit dem Kundentermine wahrgenommen werden.
Auch die Besinnung auf lokale Unternehmen und Her- steller, die ins Sortiment aufgenommen werden, ist vie- len der Befragten wichtig im Zusammenhang mit nach- haltigem Handeln. Das Konzept des Regional-Sofas von Deko Idee Wolter aus dem sächsischen Pirna ist hier ein
gutes Beispiel, wie durch vernetztes Handeln mit lokalen Kollegenbetrieben nachhaltige Ideen Form annehmen.
Verpackungs-Wahnsinn
Schwieriger wird es beim Thema Verpackung. Unisono be- richten die Befragten, dass Lieferungen von Herstellersei- te teilweise so aufwändig und umfangreich verpackt sind, dass die Entsorgung bisweilen problematisch wird. Familie Hellermann vom gleichnamigen Betrieb in Marsberg hat da ihr individuelles Kreislauf-Modell entwickelt: Das Ver- packungsmaterial wird an ein befreundetes Unternehmen weitergegeben, das dafür in großem Stil Verwendung hat. Verpackungs-Rücknahme-Systeme, wie einzelne Lieferan- ten sie bereits anbieten, wären zur Vermeidung von Unmen- gen an Müll sicherlich eine gute Option.
Eine einheitliche Meinung gibt es auch zum Thema Produktsiegel und Zertifikate. Hier sind sich die von uns be- fragten Raumausstatter einig, dass es schlichtweg zu viele Kennzeichnungen gibt: unübersichtlich, wenig informativ – so das Resümee. Stattdessen wäre ein Siegel nach dem Vorbild der Lebensmittelampel wünschenswert, das die wichtigen Informationen, leicht verständlich und auf einen Blick visualisieren sollte. (Eine hilfreiche Übersicht aller Sie- gel und Zertifikate mit Erläuterungen finden Sie in dem die- ser Ausgabe von BTH Heimtex beiliegenden Supplement.)
Mehr Information und Stories zu nachhaltigen Produkten
Was die Nachfrage der Konsumenten nach nachhalti- gen Produkten betrifft, sehen alle Betriebe noch enor- mes Potential. Zwar kommen zunehmend mehr Kunden und fragen nach „umweltfreundlichen“ Produkten und im Objektgeschäft steigt die Nachfrage seitens der Ar- chitekten spürbar, aber dieses Segment ist klar ausbau- fähig. Zentrales Thema in diesem Zusammenhang ist die Kommunikation und Information durch die Lieferanten. „Wir brauchen Stories zu den Produkten, um bei unseren Kun- den Anreize zu schaffen“, formuliert beispielsweise Julian Trebes von Trebes Raumausstattung aus Altenkunstadt.
Wie wichtig die umfassende Information gerade im Kontext Nachhaltigkeit ist, berichtet Nicole Wilgmann von Wilgmann Kreativhaus aus Rhede am Beispiel eines Kunden, der sich für ein Schlafzimmer aus heimischem Zirbenholz entschieden hat. „Gerade beim Thema Schla- fen und Sofa sensibilisieren wir unsere Kunden für heimi- sche Produkte, da Ware aus Fernost auf dem Luftweg in begasten Containern unterwegs ist. Diese werden einge- setzt, um die Container schädlingsfrei zu halten, doch die Gase sind schädlich und dünsten noch dazu aus.“
Michaela Fischer
102 BTH Heimtex 7-8/2021
SN-Home.de














































































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